1. Mai 2021

Everest Marathon 2018

Jeder Marathonläufer träumt davon einmal im Leben einen ganz besonderen Lauf zu absolvieren. New York, Boston oder Kapstadt.
Ich hatte schon eine ganze Weile so einen Traum. Im Mai 2018 wird er Wirklichkeit. Mit dem Bus geht es von Kathmandu nach Shivalaya. Von dort beginnt die Trekkingtour, die mich und meinen Guide Ram ins Everest Basecamp bringen wird.

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Auf dem Weg nach Lukla.

Diese Tour bin ich neun Jahre zuvor schon Mal gewandert. Allerdings lag am Ende nicht der höchsten Marathon der Welt. Für diesen Lauf taugen die tausende Trainingskilometer im Grunewald, unzählige Male den Teufelsberg rauf und runter, nichts. Wer über 5000 m Höhe körperliche Höchstleistungen vollbringen will muss seinen Organismus langsam anpassen.

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Auf dem zum Lamjura Pass.

Über 200 km wandere ich gemeinsam mit Ram durch die Berge, überwinde drei Pässe und nähere mich langsam dem Everest und den vielen anderen herrlichen Bergen im Sagarmatha Nationalpark. Über die Sherpa-Dörfer Namche Bazar und Dingboche dringen wir ins eigentliche Everestgebiet vor. In Dingboche verweilen wir zwei Nächte. Ausruhen, ein letztes Mal vor dem großen Ereignis duschen und die Socken waschen. Unterhalb von Lobuche stoßen wir auf die Seitenmoräne des Khumbu-Gletschers, der aus dem „Tal des Schweigens“ etwa 18 Kilometer nach südwesten fließt.

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Der Khumbu-Gletschers.

Große Yakkarawanen mit Expeditionsmaterial aus dem Everest Basislager kommen uns entgegen. In den klaren Nächten singt die Temperatur auf unter Null Grad. Über die Seitenmoräne des Shangri Shar Gletschers zieht sich der Steig bis Gorak Shep. Von hier sind es noch 350 Höhenmeter bis zum Gipfel des Kala Pattar, einem 5500 Meter hohen Aussichtsberg von dem man einen grandiosen Blick auf Nuptse, Everest-Südschulter und die schwarze Pyramide des Everest genießen kann.

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Auf dem Kala Pattar.

Von hier erkenne ich zum ersten Mal das Everest Basislager auf 5364 m gelegen, inmitten der Eiswüste des Khumbu Gletschers. Der Startpunkt des höchst gelegenen Marathon der Welt. Am Vormittag erreichen wir unser Ettappenziel: ein paar Dutzend schmutzig-gelbe Zelte inmitten von brüchigem Eis und Fels.

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Im Everest-Basislager.

Im Essenszelt treffe ich auf Neuseeländer, Inder, Peruaner, Kroaten und Engländer. Die Teilnehmer kommen aus 30 verschiedenen Nationen. Die Vorfreude auf den Lauf paart sich bei vielen mit der Sorge um die Gesundheit. Es heisst viel trinken, blos keine Erkältung riskieren und sich keinen Fehltritt erlauben, vor allem nachts, wenn man den Weg zum Toilettenzelt finden muss.

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Bizarre Eiswelt auf 5460 m.

Den letzten Tag verbringen ich mit faulenzen in der Sonne und dem zuführen von Kalorien in jedweder Form im Essenszeslt. Für unser leibliches Wohl sorgen die jungen Nepalesen, die uns dreimal täglich leckere Malzeiten servieren.

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Im Essenszelt.

Dann heißt es früh schlafen gehen, minus Zehn Grad aushalten und möglichst gut schlafen. Früh Morgens donnert eine gewaltige Lawine die Nuptse Westwand hinunter. Danach ist das Lager wach. Nun machen sch alle Laufferrtig. An der Startlinie werden alle Nummern der versammelten Läfer*innen notiert. Da stehen wir also, am Morgen des 29. Mai, dem Jahrestag der Mount Everest Erstbesteigung durch Tenzing Norgay und Edmund Hillary, zitternd im ewigen Eis und wünschen uns gegenseitig Glück für unseren Marathonlauf auf dem Dach der Welt.

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Kurz vor dem Start.

Wir springen, laufen, hüpfen und schleichen los, je nach Untergrund und Steigungsgrad. Das Läuferfeld zieht sich schnell auseinander. Jeder ist auf sich allein gestellt, jeder muss sein Tempo laufen. Ich weiss, dass dieser Lauf nichts mit einem herkömmlichen Straßenmarathon gemein hat. Ich weiss aber nicht, wie endlos lang 42,195 km werden können. Und wieviel Kraft es kostet, auf jeden Schritt und Tritt zu achten. Und was für eine unglaubliche Tortur es darstellt, in großen Höhen bergauf zu laufen. Denn auch wenn das Ziel des Laufs in Namche Bazar 2000 Meter tiefer liegt, so müssen wir auf der gesamten Strecke mehr als 1500 Höhenmeter bergauf bewältigen.

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Marathon auf 5000 m.

Ich habe es geschafft.
In ziemlich genau elf Stunden erreiche ich das Ziel in Namche Bazar. Für die ganz großen Gefühlsausbrüche fehlt im Ziel die Kraft, aber ein Zustand größter Zufriedenheit stellt sich doch ein, spätestens beim ersten Everestbier aus der Dose.

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Im Ziel in Namche Bazar.

Everest Marathon
Der Tenzing Hillary Everest Marathon findet seit 2003 jedes Jahr am 29. Mai in Erinnerung an die Erstbesteigung am 29. Mai 1953 durch Tenzing Norgay und Edmund Hillary statt.
Der Start erfolgt im Basislager auf 5364 Meter, das Ziel liegt in Namche Bazar auf 3400 Meter. Auf der Strecke über Gletscher, Moränen und Gebirgspfade müssen die Läufer*innen rund 2000 Höhenmeter bergan bewältigen. Außer dem klassischen Marathon gibt es den Halbmarathon und einen Ultralauf über 60 Kilometer.
Sieger wurde in diesem Jahr der Napali Bhim Bahadur Gurung in 4:02:03 Stunden. 133 Marathon-Teilnehmer*innen erreichten das Ziel.