Von Jiri nach Lukla

Meine Reise nach Nepal verläuft, mal abgesehen von anfänglichen Zahnschmerzen aufgrund einer Wurzelbehandlung in der Vorwoche, fast planmäßig. Die einzige Planänderung gereicht mir zum Vorteil: in Bahrain werden alle Fluggäste auf andere Plätze umgebucht, was für mich einen Platz am Fenster linke Seite bedeutet. Heißt beste Aussicht auf die Berge nach Sonnenaufgang, denn Ankunftzeit in Kathmandu ist mit ca. 7 Uhr angegeben. Im Flugzeug mache ich die Bekanntschaft eines jungen Nepali, der eigentlich in Japan lebt. So erhalte ich einen ersten Eindruck von der Freundlichkeit der Menschen in Nepal. Wir plauschen miteinander über Land und Leute und nehmen nach einer üppigen Flugzeugmahlzeit um 1.30 Uhr noch eine Mütze Schlaf. Beim Erwachen fällt wie erhofft unser erster Blick auf die schneebedeckten Berge des Himalaya. Das ist doch wohl ein traumhafter Auftakt!

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Fotoalbum

Erste Ansicht der schneebedeckten Berge des Himalaya.

Montag 12. Oktober
Nach morgendlicher Ankunft in Kathmandu lerne ich direkt am Flughafen meine beiden Mitwanderer kennen: Hans und Eva. Ich habe Glück, denn sie haben bereits Erfahrung in Sachen Nepalreisen. So bekomme ich auf viele Fragen gleich sachkundige Antworten. Nach ausgiebigem Frühstück im Hotel und etwas Erholung in der Horizontalen, treffen wir uns mit dem Reiseleiter der Haupttour (Lukla-Kala Pattar) Narayan zu einem nachmittäglichen Rundgang im Thamel. Das rege Treiben auf den schmalen Gassen und die Farbenvielfalt erschlägt mich so ziemlich, zumal ich an die kathmanduschen Verkehrsverhältnisse noch nicht gewöhnt bin.


Dienstag 13. Oktober
Am nächsten Tag gehts dann mit dem Kleinbus nach Jiri. Unser Guide für die erste Woche (Jiri-Lukla) Jangbu Sherpa holt uns um 7 Uhr am Hotel ab. Für die 180 km bis Jiri benötigen wir ca 7 Stunden, denn die Straßen sind schmal und schlaglochüberseht. In Jiri angekommen, gibts erstmal leckere Nudelsuppe in einer Lodge. Jangbu engagiert zwei junge Träger, Milan und Shiva, mit denen wir dann gegen 17.30 Uhr Richtung Shivalaya aufbrechen.


Shiva in Kathmandu

Shiva und seine Frau.

Gegen 18 Uhr wird es dunkel. Also müssen wir den Rest des Weges bei Stirnlichtschein zurücklegen. Zuerst auf den Patashe Danda (2400 m), den ersten Pass, und dann hinunter auf steilen, feuchten Pfaden über Malla nach Shivalaya am Ufer des Khimti Khola (Khola=Fluß). Der durch die Dunkelheit doch etwas unsichere Abstieg wird uns durch musikalische Begleitung aus Shivas Handy versüßt. Zuweilen kommen uns ähnliche "Glühwürmchen" wie wir es sind, entgegen, die es auch nicht vor Dunkelwerden nach Hause geschafft haben. In Shivalaya beziehen wir die neueste Lodge am Platze (wir sind die ersten Gäste) und werden mit Daal Bhat und Tee bewirtet.


Mittwoch 14. Oktober
Nach erholsamem Schlaf können wir am nächsten Morgen die idyllische Lage Shivalayas bewundern: eingebettet in ein sanftes Tal mit saftig-grünen Reisterrassen an den Hängen. Auf den Bergen sind alle Grüntöne vertreten, die man sich vorstellen kann. Und erst die Blumen. Traumhaft!

Shivalaya

Shivalaya am Khimti Khola.

Unser nächstes Ziel ist der Changme La (2705 m). Die erste Woche steht unter dem Motto "Fast jeden Tag ein Pass". Also auf nach oben bei schönstem Sonnenschein, was sich im übrigen während meiner gesamten Anwesenheit in Nepal (4 (!) Wochen) nicht ändern soll. Daher kann ich mir alle Wetterangaben sparen, denn es war immer eitel Sonnenschein. Durch exotisch anmutende Wälder zieht sich der Weg zuweilen recht steil bergauf. Gegen Nachmittag sind wir am Ziel. Auf breitem Weg wandern wir durch Rhododendronwälder zur Yak-Käserei Thodung (3050 m). Wie wunderschön muss diese Landschaft erst im Frühling während der Rhododendronblüte sein? Die Käserei wurde von Schweizern aufgebaut und wir bekommen nach der Käseverkostung dessen Herstellung erklärt; das funktioniert also wie bei uns in den Alpen. Der Käse ist sehr lecker und wir erstehen ein Stück. Auf dem Rückweg besuchen wir das erste von vielen buddhistischen Klöstern. Hier werden die Schüler fünf Jahre lang ausgebildet, bevor sie dann zu weiteren Studien nach Indien reisen. Im Innern des vor 56 Jahren wiederaufgebauten Tempels können wir bei schummerigem Licht die farbig geschmückten Wände betrachten. Unsere Spende stecken wir in die Donationbox und machen uns anschließend auf den Weg zurück zu unserer Lodge am Changme La.

Pass

Der Morgen erwacht am Changme La (2705 m).



Donnerstag 15. Oktober
Heute steht uns ein langer und zunächst auch sehr steiler Abstieg bis Kenja (1650 m) bevor, den wir aber prima meistern. Zwischendurch geht es natürlich auch immer wieder ein wenig bergauf, ansonsten würde es ja langweilig werden. Insbesondere sind zwei Trekkingtouristen zu "retten", die einen falschen Weg beschreiten und das ohne örtliche Führung. Sofort werden Hilfsmaßnahmen seitens Jangbu eingeleitet, zumal die beiden auf Rufen und sonstige akustische Signale nicht reagieren. Wir erreichen sicher unser Etappenziel Kenja, am rauschenden Likhu Khola gelegen, mit lauschigen Bambushainen und herrlichen Blumenwiesen. Den Fluß überqueren wir mittels Hängebrücke und trinken in einer Lodge mit Blick auf die ersten schneebedeckten Gipfel einen Pfefferminztee, um uns für das anstehende Nachmittagsprogramm zu stärken. Das haben wir auch nötig, denn vor uns liegt ein schweißtreibender Aufstieg von 900 hm nach Sete und das alles in der größten Mittagshitze. Aber will sich jemand beschweren? Nein, denn wir haben es ja nicht anders gewollt ...
Mir hat den Aufstieg die Unterhaltung mit einem Weltenbummler, der seit 15 Jahren in Thailand lebt, verkürzt. Er hat mir erklärt, wie er auf seinen vielen Reisen mit dem 35 Liter Deuter-Rucksack, den ich als Tagesrucksack nutze, auskommt. Ich glaube diesem Beispiel sollte man nacheifern. Je weniger Habe umso freier schreitet man aus. Durch das interessante Gespräch verging der 2,5-stündige Aufstieg wie im Fluge. In der Lodge angekommen, dusche ich erstmal und dann gibts ein leckeres Abendessen. Wenig später verschwinden wir in unsere Betten. Das ist so gegen 20 Uhr, was mittlerweile bei uns ganz normal ist; es ist dunkel, es wird kalt und man ist müde. Wo ist man dann besser aufgehoben als im warmen Schlafsack.

Pass

Aufstieg nach Sete.



Freitag 16. Oktober
Für heute ist der Aufstieg zum Lamjura La (3530 m) vorgesehen. Nach leckerem Frühstück (große Schüssel Müsli mit geraspeltem Apfel) geht es wieder mehr oder minder steil nach oben. Es sind ja fast 1000 Höhenmeter zu überwinden. Am Wege liegen kleine Dörfer, in denen man fast immer süße Riegel, Kekse und Wasser kaufen kann. Mit den Einheimischen kommt man bei jeder Pause ganz einfach ins Gespräch und kann, wann immer man will, ein kleines Schwätzchen halten. Vor jedem Haus können die vielen Träger, die mit uns den Weg bevölkern ihre schweren Lasten auf extra dafür gebauten Steinmauern abstellen und Pause machen. Mit der Höhe ändert sich auch die Vegetation. Allerdings stehen auch noch auf 3000 m Rhododendronbäume. Die Wiesen sind hier überseht von kleinem weiß-blauem Enzian. Der wächst, wie sich später herausstellen soll, bis auf fast 4000 m. Um kurz vor 12 erreichen wir den Lamjura La. Hier treffen wir auf ettliche in erster Linie französische Läufer, die am 2. Khumbu-Lauf von Jiri zum Mt. Everest Basecamp mitmachen. Die Läufer sind am 14. Oktober in Jiri gestartet und wollen am 30. Oktober das Basecamp erreichen. Sie rennen über den Pass, als wenns nichts wär, und werden dabei von ihrer Begleitmannschaft bejubelt. In Junbesi werden wir sie dann wieder treffen, denn sie haben die benachbarte Lodge bezogen. Der Abstieg nach Junbesi (2675 m) ist hart weil teilweise sehr steil und dabei steinig. Aber der Anblick der Bergwälder entschädigt für die strapaziöse Etappe. Bevor wir in Junbesi unsere Lodge beziehen, besichtigen wir noch eines der 3 Klöster, die der kleine Ort zu bieten hat. Das Kloster ist wunderschön verziert in allen Farben und als wir wieder herauskommen, haben die Schüler gerade Teepause.

Teepause im Kloster

Die Klosterschüler bei ihrer Teepause im Kloster in Junbesi.



Samstag 17. Oktober
Auf den Postkarten von Junbesi ist die schneebedeckte Numburkette abgebildet. Heute erst können wir diese Berge nun selbst sehen, denn es ist wieder ein wolkenloser Morgen. Gestern Abend behinderten Nebelschwaden die Aussicht. Nun geht es auf mäßig steilem Weg zur Lodge Mount Everest View, die besser Sagarmatha View heißen sollte. Wir durchwandern einen lichten Wald mit Baumriesen, die über und über mit Farnen bewachsen sind. An der Lodge angekommen, hüllen sich die hohen Berge in Wolken, nur 2 Gipfel schauen heraus. Zum Trost trinken wir Tee, denn wir wissen ja nicht, dass es das einzige Mal bleiben wird, an dem wir irgendwelche Gipfel nicht sehen können. Nach der Teepause folgt der Abstieg zum Beni Khola (2650 m), den wir auf einer Drahtseilbrücke überqueren. Jangbu hat da seine eigene Methode: er wartet bis die Brücke leer ist und rennt dann ganz schnell rüber. Das hat den Vorteil, das die Brücke kaum schwingt. Nun folgt der Aufstieg nach Ringmo, ein kleines Dorf, das ebenso gut in den Alpen stehen könnte. Hier machen wir Mittagspause, um dann zum Tragsindo La (3070 m) aufzusteigen. Dort oben angekommen, trinken Hans und ich erstmal eine Cola. Man glaubt ja nicht, wie lecker so ein Süßgetränk schmecken kann, wenn man seit Tagen nur Tee zu sich nimmt. Auf dem Pass steht eine Gompa, die frisch renoviert ausschaut, ein paar Häuschen mit Verkauf von Süßwaren und Wasser und eine Lodge. Nach einer ausgiebigen Pause geht es wieder bergab Richtung Nuntala (2200 m). Hier sind die Vorbereitungen zur abendlichen Feier des 2. Tages des Tihar-Festes in vollem Gange: alle Häuser werden mit bunten Lämpchen und Tagetes-Girlanden geschmückt. Das Tihar-Fest geht über 5 Tage und wird in ganz Nepal ausgelassen gefeiert. Am 1. Tag wird die Krähe verehrt, am 2. der Hund, am 3. die Kuh. Am 4. Tag singen die Jungs ganz bestimmte Lieder und am 5. Tag verteilen die Mädchen an die Brüder Blumenketten. Am 4. Tag beginnt auch das neue Jahr für die Newar, eine Volksgruppe in Nepal. In Nuntala wird bis in die tiefe Nacht von jung und alt auf der Straße getanzt zu lauter Musik aus den jeweiligen Ghettoblastern. eine tolle Stimmung herrscht hier und alle machen mit. In den Dörfern auf den Berghängen sieht man viele Lichter: überall wird gefeiert was das Zeug hält. Wir haben Glück, dass wir hier dabei sein können und diese kollektive Lebensfreude miterleben können.

Kein Blick auf Sagarmatha

Keine Aussicht auf Sagarmatha und co.



Sonntag 18. Oktober
Die Musik spielt noch bis in die tiefe Nacht, und kaum ist es hell am Morgen, geht es gleich weiter damit. Denn heute wird ja die Kuh verehrt. Das sieht man daran, dass die Kühe Blumenketten tragen. Trotz Feiertag und Partylaune wandern wir weiter. Unsere heutiges Ziel heißt Bupsa. Durch die morgendlichen Nebel können wir ein paar schneebedeckte 6000er sehen. Man merkt, wir nähern uns Lukla. Diesmal gibts zum Frühstück Tsampa, das tibetische Grundnahrungsmittel. So gestärkt geht es erstmal 700 hm hinunter zum Dudh Kosi, dessen schäumende Fluten wir wieder mit Hilfe einer Hängebrücke überqueren. Nach kurzer Pause am Fluß, geht es wieder 600 hm hinauf nach Khari Khola (2100 m). Oberhalb des Ortes steht ein kleines Kloster, bei dem ich Pause mache. Auf dem Dorfplatz schmücken sich die Mädchen für den Tanz am Abend. Es ist herrlich, so faul in der Sonne zu sitzen und die Aussicht zu genießen: Erholung pur!
Nach der Mittagspause sind nochmal 400 hm bis Bupsa (2340 m) zu bewältigen, was aber an einm so herrlichen Tag nicht schwerfällt. Auf dem Weg begegnen wir vielen Mulikaravanen. Die haben immer "Vorfahrt". Da heißt es dann warten bis die alle vorbei sind und immer schön bergseitig ausweichen! In Bupsa mache ich erstmal große Wäsche, denn wir sind am Nachmittag bereits in unserer Lodge. Nach der Arbeit gibt es dann einen (Instant-)Cappuccino für alle. Das Pulver habe ich für Sonntagnachmittage im Reisegepäck. Ist das lecker und dazu Evas belgische Butterkekse. Ein Genuß!

Geschmueckte Kuh

Festlich geschmückte Kühe.



Montag 19. Oktober
Nun wird es ernst. Unsere letzte Etappe in kleinem Kreis nach Lukla steht an. Morgen treffen wir den Rest der Gruppe, um gemeinsam zur Haupttour im Khumbugebiet aufzubrechen. Ein bisschen mulmig ist uns schon: wie wird das werden? Sind alle nett? Wieviele Menschen sind noch auf dem Highway zum Kala Pattar unterwegs? Fragen über Fragen ...
Jetzt ist aber erstmal ein Pass zu erklimmen: der Khare La (2850 m). Von hier kann man zum ersten Mal die Berge um Lukla sehen. Der Weg führt dann in ein weitläufiges Seitental, das durchquert werden muss. Anschließend geht es nach einer längeren Mittagspause steil bergab nach Surke (die schönen Höhenmeter!), ein malerischer kleiner Ort an einem Bach mit vielen Gumpen, die eigentlich zum Bade laden. Es ist auch ordentlich heiß, aber da noch der Aufstieg nach Lukla bevorsteht, mache ich keine Pause. Weiter gehts aber leider für mich in die falsche Richtung: habe den Abzweig nach Lukla verpasst und latsche erstmal munter eine halbe Stunde forschen Schrittes Richtung Namche Bazar. Langsam fällt mir auf, das ich keinem Träger mehr begegne. Überhaupt ist kein Mensch mehr auf dem Weg. Also drehe ich um und am verpassten Abzweig nach Lukla sitzen Milan und Shiva. Sie warten auf mich und freuen sich sehr, mich zu sehen. Gemeinsam steigen wir nun steil bergauf, aber die letzten Höhenmeter schaffe ich auch noch. Immernoch starten und landen Flugzeuge in kurzen Abständen auf dem kleinen Flughafen in Lukla, denn die Sicht ist noch gut.
Am Ortseingang warten Jangbu und Hans schon auf mich. Jangbu ist heilfroh, dass ich wieder da bin. Nach seiner Begrüßung zu urteilen, hat er mich vor seinem geistigen Auge bereits abgestürzt in irgendeiner tiefen Schlucht gesehen. In Lukla beziehen wir eine recht behagliche Lodge und feiern am Abend Abschied von Jangbu, der uns mit viel Aufmerksamkeit und Liebe durch die Berge seiner Heimat geführt hat. Unsere beiden Träger Milan und Shiva werden uns auch auf der langen Tour begleiten und unsere Taschen tragen.
Die erste Woche war herrlich und man fragt sich: kann es noch schöner werden? Ja es kann ...

Lukla

Das Ziel des heutigen Tages: Lukla.