10. Tag Hotel Gerstgras - Schlanders

↑ 1000 hm ↓ 2050 hm 9 h

Nach gut durchschlafener Nacht bin ich um 7 Uhr aufgewacht. Genau richtig um den wolkenlosen Himmel zu bewundern. Ein weiteres Mal heißt es die gesamte Ausrüstung wieder einpacken, frühstücken, Zimmer zahlen und ab in die frische Bergluft. Mein Quartier ist gut gewählt, denn der Wanderweg zum Taschenjoch, meinem nächsten Ziel, beginnt direkt hinter dem Haus. Es geht zum Auftakt ordentlich steil den Berg hinauf durch einen um diese Zeit noch menschenleeren Kiefernwald. Immer hat man herrliche Ausblicke auf den Similaun und den Stausee.

Similaun

Der Vernagtstausee zu Füßen des Similaun.

Ein von mir aufgeschrecktes Auerhuhn flüchtet so schnell, das zum fotografieren keine Zeit bleibt. Nach einer Stunde erreiche ich die Berglalm (2214 m), ein in den Berghang gebauter Hüttenkomplex mit allerlei bunten Blumen und diversen Vorgartenplastiken als Dekor.

Berglalm Haupthaus

Das Hauptgebäude der Berglalm.

Berglalm

Die Quergebäude der Berglalm.

Hier trinke ich einen halben Liter Apfelsaftschorle. Die Bewohner der Alm sind irgendwie recht wortkarg. Sie scheinen eben erst aufgestanden zu sein. Also bleibe ich nicht lange, denn es liegen noch 500 hm Aufstieg vor mir. Bis zum Joch (2775 m) treffe ich keinen Menschen. Der Steig ist abwechslungsreich und die Aussicht wird immer besser.

Weg zu Taschenjoch

Auf dem Weg zum Taschenjoch.

Oben angekommen ist es vorbei mit der Einsamkeit: ein italienisches Pärchen, das allerdings bald den Abstieg antritt, und 2 Südtirolerinnen aus Kurzras teilen mit mir den atemberaubenden Blick Richtung Süden auf die 3000er des Martelltals. In Richtung Norden hat man freie Sicht auf Weißkugel und Similaun.

Blick Richtung Süden

Vom Taschenjoch kann man die 3000er des Martelltals sehen.

Kurzras

Der Blick in Richtung Norden zeigt Kurzras im Tal.

Neben der Ruine der abgebrannten Heilbronner Hütte lasse ich mich auf einem Stein nieder und esse erstmal was. Nach kurzer Zeit erreichen zwei Mountainbiker das Joch. Sie kommen aus Schlanders, 2030 hm mit dem Fahrrad! Nachdem sie die Weißkugel durch lautes Jodeln begrüßt haben, erklimmen die beiden Männer die nächste Anhöhe und entrollen eine Tibetfahne von der sie dann diverse Fotos gegen die heimische Bergwelt machen. Danach geht's sofort weiter: den steilen Weg nach Kurzras hinunter. Die beiden werden schneller unten sein als ich und das nicht nur wegen ihrer Räder. Mir steht nun der Abstieg nach Schlanders bevor: 2030 hm über mindestens 10 km. Um 12.30 Uhr mache ich mich auf den Weg obwohl ich mich kaum von der herrlichen Aussicht losreißen kann. Nach wenigen Minuten Abstieg im steilen Geröll sehe ich die schwarze Lacke. Ein türkisglitzernder See zwischen den Felsen.

Schwarze Lacke

Die schwarze Lacke ist alles andere als schwarz.

Der Steig führt direkt am Seeufer entlang. Fast möchte man hinein springen so einladend sieht das Wasser aus. Der weitere Weg führt über Geröllfelder, in denen man manchmal den Weg nicht findet, weil frisch abgebrochenes Gestein die Markierungen überlagert. Weiter unten treffe ich dann auf den Kortscher See. Der See ist groß und es scheint Fische darin zu geben, denn an seinem Ufer versuchen zwei Angler ihr Glück. Auf Nachfrage erfahre ich, das der See Saiblinge beherbergt.

Kortscher See

Der Kortscher See im Sonnenschein.

Nach zwei Stunden Abstieg geht der Steig in eine Schotterstraße über. Bald erreiche ich die Schlanderer Alm, aber entgegen meinen Hoffnungen gibt es hier keinen gastronomischen Betrieb und ich muss ohne Stärkung weiterlaufen.

Schlamderer Tal

Das Schlanderer Tal scheint endlos.

An einem Heustadel mache ich Pause, esse die letzten Reste meines Proviants und wechsle das Schuhwerk. Die Sonne brennt vom Himmel und die Füße sind schon ganz heißgelaufen in den Bergstiefeln. Nun heißt es weitergehen in Sandalen. Herrlich die Luft an den nackten Füßen. Nach einer Weile wird die Straße ganz schön steil. Auf dem Schotter hat man jeden Moment das Gefühl auszurutschen. Der Abstieg scheint kein Ende zu nehmen.

Burg Schlanders

Dem Ziel schon näher aber noch lange nicht da.

Später gibt es endlich einige Ausblicke ins Tal auf Weinberge und Apfelplantagen. Leider zeigen mir die Ausblicke auch, das der Weg noch längst nicht geschafft ist. Gegen 16.30 Uhr trete ich auf die Asphaltstraße, die die Bergbauernhöfe oberhalb von Schlanders mit dem Tal verbindet. Hier befinde ich mich auf 1300 m, das bedeutet noch einen Abstieg von 500 hm. Mich verläßt kurzfristig der Mut, denn meine Fußsohlen brennen (barfuss in den Sandalen), ich habe Durst und überhaupt bin ich ganz schön fertig vom ewigen bergab gehen. In diesem Moment kommt ein klappriges Auto die Straße heruntergebraust, und bremst direkt vor meiner Nase. Ein freundlicher Bergbauer schaut aus dem geöffneten Fenster und fragt mich, ob ich mitfahren will. Ohne zu zögern sage ich natürlich ja. Im Auto erklärt mir der nette Mann, das er nur wegen eines defekten Motors ins Tal muss, um in Meran ein Ersatzteil zu besorgen. Sonst kann er nicht weitermähen. Da hab' ich aber Glück gehabt. Wir plauschen nett und so vergeht die Zeit wie im Fluge. Er fährt mich netterweise noch bis nach Schlanders direkt vor die Tür der Touristeninformation. Hier bekomme ich ein Hotel im Ortskern empfohlen in dem ich auch köstlich speisen kann.

In Schlanders

Die Häuser in Schlanders wirken wie kleine Burgen.

Vorher schlendere ich aber noch durch die Fußgängerzone und erstehe für meinen Jausenbeutel leckere italienische Wurst, Käse und Brötchen. Abends nach dem üppigen Mal (unter drei Gängen mache ich es ja jetzt nicht mehr), das ich in einem lauschigen, blütenreichen Gastgarten einnehme, begebe ich mich noch auf einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Trotzdem es auch Abends noch herrlich warm ist (in Vent waren um die Uhrzeit noch 5°C: ist eben Italien!), gehe ich früh zu Bett nach dieser bis jetzt anstrengendsten Etappe der Tour.